Im Radio hörte ich nun wieder die Meldung, dass jede dritte Scheidung direkt nach dem Urlaub eingereicht wird. Wieso ist das so?
Hat man im Urlaub einfach mehr Zeit zum Streiten? Oder auch so viel Zeit, dass ein solcher Streit so eskaliert, dass man sich sofort scheiden lassen will?
Ich hoffe, dass Ihr alle einen wunderschönen Sommerurlaub mit Eurem Partner und/ oder Familie verbracht habt!
Wir wissen alle, dass es in einer Partnerschaft Höhen und Tiefen gibt. Wir werden älter, die Lebensumstände ändern sich, wir werden Eltern, unsere eigenen Eltern brauchen uns, wir sind berufstätig.
Wie schaffen wir es, dass unsere Partnerschaft dabei nicht auf der Strecke bleibt?
Wir schaffen das entweder „einfach so“,
oder wir finden uns damit ab, nebeneinander her zu leben, zu funktionieren oder im Dauerstreit zu sein.
Oder wir trennen uns.
Oder wir tun etwas FÜR unsere Beziehung: wir sprechen (mehr) miteinander, wir machen eine Paartherapie, gehen zur Eheberatung oder machen eben eine Paarmediation.
Wenn ein Paar entschieden hat, dass es etwas aktiv FÜR die Beziehung unternehmen möchte, muss es noch den für sich passenden Weg finden.
Heute zeige ich Euch gerne an einem tatsächlichen Fall auf, wie eine Paarmediation ablaufen kann. Dazu habe ich zum Schutz meiner Medianden mehrere Fälle miteinander kombiniert und Parameter geändert.
Phase 1
Ich lernte Michael, 34 Jahre alt, Kaufmännischer Angestellter, und seine Frau Beate, 37 Jahre alt, Lehrerin, im Frühjahr 2018 kennen.
Sie kontaktierten mich, weil ich ihnen als Mediatorin empfohlen worden war. Sie berichteten, dass sie seit 10 Jahren verheiratet sind und zwei Kinder haben: einen achtjährigen Sohn und eine fünfjährige Tochter.
Sie sagten, dass sie viele Probleme haben und sehr viel und sehr laut streiten. Das wollen sie nicht mehr.
Sie haben entschieden, dass sie zusammenbleiben möchten, und zwar für sich als Paar, aber auch für ihre Kinder. Eine Paartherapie hatte Michael nach zwei Terminen abgebrochen, das war ihm einfach „zu psycho“. Seine Frau sagt, dass ihm die Paartherapie einfach zu tiefgehend war.
Er tue sich schwer, über Gefühle zu sprechen. Michael nickte dazu…
Ich erklärte den beiden, dass eine Mediation ein strukturiertes, vertrauliches Verfahren ist, bei dem sie freiwillig, eigenverantwortlich und selbstbestimmt ihre Konflikte bearbeiten und im Idealfall durch einen Konsens lösen können.
Ich erklärte ihnen den Ablauf in fünf Phasen und dass ich ihnen keine Ratschläge geben werde. Ich würde sie aber sehr gerne durch dieses Mediationsverfahren leiten. Beate und Michael entschieden sich dazu, mir zu vertrauen und mit der Mediation zu beginnen.
Phase 2:
Nun bat ich Michael und Beate darum, mir die Themen zu nennen, über die sie sprechen möchten.
Ich stellte den beiden verschieden farbige Post-It Zettel zur Auswahl.
Beate entschied sich für grün, Michael für blau.
Ich schrieb die von Beate genannten Themen somit auf grüne Post-It Zettel, die von Michael genannten Themen auf blauen Post-It Zettel.
Je Thema gab es einen Zettel.
Über manche Themen, wie zum Beispiel das Thema „Ausgehen“ wollten beide sprechen, über das Thema „Haushalt“ wollte nur Beate reden.
Michael nannte das Thema „Sexualität“, Beate nicht. Anschließend klebte ich die Themenzettel in zwei Spalten – eine für Beate, eine für Michael – an ein Flipchart.
Themen, die beide genannt hatten, klebte ich nebeneinander.
Ich bat nun beide darum, aufzustehen und sich ihre Themen anzusehen. Beide hatten jeweils vier Themen genannt.
Das empfanden beide als fair. Durch die Visualisierung konnten sie erkennen, dass sie auch drei gemeinsame Themen (Ausgehen, Kindererziehung, Familienleben) haben.
Bezüglich der Themen, die nicht beide genannt hatten, verständigten sie sich darauf, dass sie sich einfach entgegenkommen: jeder hatte ein Thema eingereicht, das der andere nicht genannt hatte – beide sollten zusammen mit den gemeinsam genannten Themen besprochen werden.
Ich bat Beate und Michael darum, aus ihren Themen eine Agenda zu bilden. Sie sollten also nun beide erarbeiten, in welcher Reihenfolge sie über ihre Themen sprechen wollten. So sah ihre gemeinsame Agenda dann aus:
- Ausgehen
- Kindererziehung
- Haushalt
- Familienleben
- Sexualität